Großen Eindruck hinterließ der Vortrag von Dr. Brigitte HoffmannUm die Wichtigkeit des Abschiednehmens ging es am Mittwoch, 2.5.2018, im Myconiushaus der evangelischen Kirchengemeinde Lichtenfels. „Der Abschied am Sterbebett und seine Bedeutung für das weitere Leben“ war der Titel eines Vortrags, den Dr. Brigitte Hoffmann aus Würzburg auf Einladung des Hospizvereins Lichtenfels hielt. Dr. Hoffmann referierte über die letzte Lebensphase, in der sowohl der sterbende Mensch selbst wie auch sein Umfeld, das ihm nahesteht und begleitet, in besonderer Weise gefordert sind.
Die Bewältigung des Alltags belaste alle physisch und psychisch extrem und kostet viel Zeit und Energie. Auf der Strecke bleibe dabei oft die eigentliche Aufgabe dieser Lebensspanne: sich herauslösen zu müssen aus den gewohnten und lange gelebten Strukturen und Abschied voneinander zu nehmen. Beides sei eng miteinander verknüpft, so die Referentin. Sie ist Mitarbeiterin im Hospizverein Würzburg und langjährige Referentin an der Akademie für Palliativmedizin, Palliativpflege und Hospizarbeit im Juliusspital Würzburg mit einem reichen Erfahrungsschatz aus der praktischen Hospizarbeit.
Ein als gelungen empfundener Abschied könne zu innerem Frieden führen, ein verpasster oder verpatzter Abschied hinterlasse dagegen negative Spuren für lange Zeit. Daher sei das Abschiednehmens, eine Lebensnotwendigkeit und enorm wichtig, so die Referentin. Die Begleitung am Lebensende sei eine besondere Herausforderung und die Dauer ungewiss. Nie Dagewesenes, neue Situationen müssten gemeistert werden. Diesen Lebensabschnitt nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Belastung und Überforderung zu erleben, sondern auch als Chance, wesentliche Erfahrungen für das eigene Leben zu sammeln, war das das Anliegen dieses Vortrages.
Dr. Hoffmann beleuchtete den Aspekt „Versprechen am Sterbebett“. Es beinhalte eine Reihe von Problemen. Neben der grundsätzlichen Frage, worauf die Bindung beruhe, wenn der Empfänger des Versprechens nicht mehr lebt, gebe es keine Möglichkeit mehr, es zu lösen; wenn sich etwa die Umstände so geändert haben, dass ein Festhalten nicht mehr zumutbar sei. Hinzu komme, dass am Sterbebett ein gewaltiger Druck auf diejenigen entstehe, die etwas versprechen sollen. Das Argument des leichteren Sterbens und die Ausnahmesituation könnten die Betroffenen geradezu zwingen, ein Versprechen abzugeben, das sie sonst nie eingingen.
Das Hauptproblem sei aber, dass diese Versprechen das Leben der Weiterlebenden beschränken – zugunsten eines Toten. Der Sterbende setzt seine Wünsche auf Kosten der Weiterlebenden durch, man könnte sogar behaupten, er versuche sein Leben zu verlängern, indem er auf Teile des Lebens anderer zugreift. Deshalb sollte man denjenigen, die ein solches Versprechen eingegangen sind, zumindest ein Recht zur Umdeutung zugestehen.
Im Gegensatz zu früher, als der Schwerkranke im Kreis der Familie betreut wurde, fehle heute die Erfahrung der Angehörigen. In Krankenhäusern werde das Abschiednehmen oft nicht seiner wichtigen Rolle gerecht. Daher sei besonders die ambulante Palliativmedizin hervorzuheben, die rund um die Uhr segensreich wirke. Auch die Hospizvereine mit ihren zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trügen dazu bei, dass Strebende würdevoll begleitet werden.
Sterben und Trauer seien extreme Lebenssituationen in denen der einzelne Mensch, die ganze Familie und auch das persönliche Umfeld erschüttert werden, stellte Dr. Hoffmann fest. Gewohntes werde zerstört und der trauernde Mensch müsse lernen, sich in einer völlig veränderten Lebenswirklichkeit zurechtfinden und neu zu orientieren. Trauerzeit sei eine schmerzhafte Zeit. Trauernde fühlten sich oft vom Leben abgeschnitten und von ihrer Umgebung unverstanden überhaupt dann, wenn der Abschied viele Jahre zurückliege. Trauer sei schmerzlich und heilend zugleich und ein notwendiger Prozess, der alle Höhen und Tiefen durchlaufen muss. Jeder Mensch gehe dabei einen ganz individuellen Weg.
In den Kreis der Abschied nehmenden sollten auch die Kinder und Kleinkinder mit einbezogen werden. Ihre Trauererfahrungen in der Kindheit legten den Grundstein dafür, wie sie in Zukunft mit einem Verlust umgehen. Kinder spürten wenn etwas nicht stimmt und wenn ihre Eltern etwas vor ihnen verheimlichen. Sie verfügten über ausreichend Fantasie, um sich zu überlegen, warum die Eltern belastet wirken.
Ist die Beziehung zwischen einem todkranken, sterbenden Menschen und zurückbleibenden Personen belastet, so sollte man sich spätestens angesichts des nahenden Todes versöhnen, riet Dr. Hoffmann. Wenn ein lieber Mensch ohne Versöhnung stirbt, werden die Hinterbliebenen oft bedrückt daran denken und lange Zeit bereuen, dass Sie nicht die Kraft zur Vergebung hatten. Vergeben sei eine Handlung, die den zukünftigen Weg ebnet, damit man ihn ohne Groll und ohne Bedrückung gehen kann. Vergebung heile die Verletzungen der Trauernden und gibt dem Sterbenden Frieden.